Nur bestimmte Schwellen werden noch wirklich gebraucht!

Begriffsverständnis

Begriffsverständnis von Ulrike Jocham, Frau Nullschwelle®

Definition von barrierefrei

Der Begriff „barrierefrei“ ist seit 2002 im Behindertengleichstellungsgesetz (BGG) definiert. Bevor dieser Begriff für die Beschreibung von Immobilien verwendet wird, ist die Kenntnis dieser gesetzlichen Definition dringend zu empfehlen. Denn laut dem § 4 des BGG zählen Gebäude nur als barrierefrei, wenn sie für Menschen mit Behinderungen

  • in der allgemein üblichen Weise,
  • ohne besondere Erschwernis und
  • grundsätzlich ohne fremde Hilfe

auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Laut dem § 3 des BGG sind dabei alle Menschen mit allen „Behinderungsarten“ zu berücksichtigen.

Barrierefrei nach DIN 18040

Die DIN 18040 beschreibt gleich zu Beginn als Normenziel, die Umsetzung des § 4 BGG. An zahlreichen Stellen in der DIN 18040 wird jedoch technisch grundlos diese gesetzlich definierte Ziel nicht umgesetzt. Weiterhin fordert der § 4 BGG die Beachtung aller Menschen mit allen verschiedenen Behinderungsarten. Auch dies setzt die DIN 18040 nicht um, selbst an Konstruktionsbereichen, bei welchen technisch eine Nutzbarkeit von allen Menschen mit allen Behinderungen möglich wäre.

Bei Türschwellen sind die Formulierungen in der DIN 18040 Teil 1 und Teil 2 unzureichend klar und verständlich formuliert. Um u.a. Haftungsgefahren für Bauverantwortliche zu vermeiden und eine leichte Verständlichkeit der Anforderungen diese Gestaltungsbereiches zu erzeugen, habe ich im Sommer 2013 eine Anfrage an das Deutsche Institut für Normung gesendet, deren Antwort in der Fachzeitschrift BEHINDERT MENSCHEN veröffentlicht wurde, und von da an im Bereich Türschwellen alles veränderte. Seitdem ist klar, dass Nullschwellen an Außentüren den Regelfall nach der DIN 18040-1 und -2 darstellen. Da die Norm die Anforderung von der technischen Machbarkeit abhängig macht, gibt es insbesondere im Neubau für Eingangstüren und für Terrassen- und Balkontüren keine Türschwellen-Ausnahmefälle mehr! An diesen Türen sind von 1 – 2 cm oder gar von 3 – 15 cm hohe Türschwellen bzw. Türanschlagdichtungen unzulässig. Mit der Nullschwellen-Stellungnahme konnte geklärt werden, dass die DIN 18040-1 und -2 im Bodenbereich von Türen die geforderte Barrierefreiheit nach § 4 BGG als Normenziel umsetzt und fordert.

Bei Duschen verlangt die DIN 18040-1 und -2 hingegen nicht die technisch mögliche und vorgeschriebene Barrierefreiheit nach § 4 BGG. An Duschen erlaubt sie kategorisch ohne Ausnahme bis zu 2 cm hohe Duschschwellen. Da dies technisch insbesondere im Neubau nicht notwendig ist, und derartige Barrieren von vielen Menschen mit Behinderung nicht wie im § 4 des BGG beschrieben genutzt werden können, ist die DIN 18040-1 und -2 an diesem Konstruktionsbereich überholt.

Definition Schnittstelle

Eine Schnittstelle ist eine Überschneidung fachlicher Anforderungen aus mehreren Professionen: Beim Bauen ist es quasi der Berührungspunkt zwischen Mensch und Bauwerk. (Definition von Ulrike Jocham, der Frau Nullschwelle®)

Definition Schnittstellenkompetenz

Schnittstellenkompetenzen sind die Kompetenzen, die für die optimale Gestaltung verschiedener Schnittstellen benötigt werden. Beim Bauen ist es die beste ergonomische Ausführung aller Berührungspunkte zwischen Mensch und Bauwerk. (Definition von Ulrike Jocham, der Frau Nullschwelle®)

Definition von Ergonomie

Die Ergonomie ist die Optimierung der Schnittstelle zwischen Mensch und Bauwerk bzw. zwischen Mensch und Assistenzsystem. (Definition von Ulrike Jocham). Genau an diesen zahlreichen Schnittstellen ist Schnittstellenkompetenz gefragt. Aufgrund mangelnder Schnittstellenkompetenz werden bis heute gefährliche und technisch nicht begründbare Außen-Türschwellen verbaut.

Eine Nullschwelle bei Drehflügel-Außentüren

ist eine Türdichtung ohne technisch trivialen und für Menschen gefährlichen Türanschlag. Es gibt bereits seit 1996 schlagregendichte Magnet-Dichtungen, die im geschlossenen Türzustand von einem Gegenmagneten in Türflügel nach oben gezogen werden, oder seit 2016 schlagregendichte Absenk-Dichtungen, die beim Schließvorgang nach unten gedrückt werden. Alle technisch notwendigen Materialübergänge müssen so flach wie möglich sein (unter 4 – 5 mm), maximal angeschrägt und abgerundet. Auch „Negativ-Schwellen“, also Schlitze und Öffnungen nach unten, sind Barrieren und daher dringend zu vermeiden.

 

 

Bewegungsflächen

Beispielsweise Rollatoren, Rollstühle, Walker und Kinderwägen benötigen Bewegungsflächen. Wie bedeutend Bewegungsflächen sein können, habe ich bereits als 16-Jährige erlebt, als ich an Freizeiten für Menschen mit und ohne Behinderung mitwirkte. Freunde von mir, die einen Rollstuhl benutzten, mussten bei Diskobesuchen auf dem Boden robbend zur Toilette, weil in diesen keine Bewegungsflächen vorhanden waren. Bewegungsflächen sind insbesondere bei der Verwendung von Assistenzsystemen bzw. Hilfsmitteln unverzichtbar. Selbst Eltern mit Kinderwägen sind beim öffentlichen Toilettengang auf Bewegungsflächen in Toiletten angewiesen, wenn sie ihre Babys und Kleinkinder mit in die Toilette nehmen möchten. Auch in Bädern sind ausreichend Bewegungsflächen unverzichtbar, um diese mit Assistenzsystemen überhaupt nutzen zu können. Damit außerdem in Schlaf- und Wohnräumen ausreichend Bewegungsflächen vorhanden sind, gilt es diese beim barrierefreien bzw. universell designten Bauen im Vorfeld genau durchzuplanen.

Tipps zu platzsparenden und damit „bewegungsraumsparenden“ Wäscheständern gibt es hier!

 

Bewegungsräume

Neben den Bewegungsflächen werden dreidimensionale Bewegungsräume benötigt. Alle Durchgänge oder Türen z.B. sollten auch für Menschen mit Großwuchs gut nutzbar sein. Und bei Tischen und Waschbecken gilt es die Unterfahrbarkeit auch von Nutzern mit Rollstühlen zu gewährleisten.