Nur bestimmte Schwellen werden noch wirklich gebraucht!

Was können Türschwellen für Menschen mit Sehbehinderung bedeuten?

Dieser Text zum Thema Türschwellen und Menschen mit Sehbehinderung sowie Vollerblindung von Ulrike Jocham ist erstmals 2012 hier auf Seite 10 erschienen. Die darin beschriebenen Berichte von Experten in eigener Sache ermöglich einen bereichernden Perspektivenwechsel. Im Zeitalter von Inklusion und demografischem Wandel benötigen wir dringen ein neues qualitätsverbesserndes Diversity Management in der Architektur:

Zwei Menschen mit Vollerblindung berichten, wie hinderlich eine Türschwelle sein kann, ein Text von Ulrike Jocham, der Frau NullschwelleSimone Degler und Roland Wahl leben gemeinsam in einer Wohnung. Trotz ihrer Vollerblindung bewältigen beide ihren Alltag nahezu ohne Hilfe oder Assistenz.

Die Nullschwelle könnte beiden mehr Sicherheit und Lebensqualität bieten: „Wenn wir einen schwellenfreien Übergang zu unserer Terrasse hätten, wäre das ein riesen Vorteil für uns.“, betont Roland Wahl und schildert seine Schwierigkeiten aufgrund einer vorhandenen Schwelle folgendermaßen: „Ich verwende für denTransport des Geschirrs auf unsere Terrasse einen Servierwagen, damit ich nicht so oft hin und her laufen muss. Zwischen unserer Wohnung und unserem Balkon befindet sich im Moment eine Schwelle, wegen dieser ich beim Überfahren den Servierwagen hochheben muss. Dabei kann es mir leicht passieren, dass Geschirr auf den Boden fällt. Für mich ist es wegen der Vollerblindung viel schwieriger und umständlicher am Boden verteilte Geschirrscherben und Speisen aufzuwischen. Vor allem stellen spitzige und scharfe Scherben, die ich nicht bemerke, eine Gefahr für meine Partnerin und mich dar.“ Simone Degler erlebt aufgrund ihrer Vollerblindung die gleichen Schwierigkeiten mit der vorhandenen Schwelle in ihrer Wohnung und erklärt: „In der Wohnung wäre für mich ein schwellenfreier Übergang zur Terrasse wesentlich besser. Da ich meine Wohnung kenne, benötige ich keine Höhenunterschiede im Boden zur Orientierung. Allerdings sind im Gegensatz hierzu tastbare Höhenunterschiede im öffentlichen Raum für mich und andere Menschen mit Sehbehinderung sehr wichtig, damit wir mit dem Langstock die räumlichen Verhältnisse ertasten und uns orientieren können. Aber in der Wohnung reicht mir der Türrahmen zum Tasten und zur Orientierung völlig aus.“

Roland Wahl organisierte vor einigen Jahren den Umbau seiner Wohnung mit großer Begeisterung und berichtet: „Leider habe ich bis vor kurzem noch nie etwas von der Magnet-Doppeldichtung gehört, die am Umbau beteiligten Handwerker und Planer haben mich nicht über eine schwellenfreie Lösung aufgeklärt, obwohl das für uns als Menschen mit Sehbehinderung wichtig ist.“

Der Übergang zwischen innen und außen bei Außentüren stellt einen völlig anderen Bezugsrahmen dar, wie z.B. im öffentlichen Straßenraum der Übergang vom Fußgängerbereich zur Straße. Direkt vor Hauseingangstüren oder vor Terrassen- und Balkontüren fährt in der Regel kein Auto vorbei, jedoch auf Straßen vor Fußgängerüberwegen schon. Menschen mit Sehbehinderung und Vollerblindung benötigen beim Übergang auf befahrene Straßenbereiche unabdingbar taktil erfassbare Höhenunterschiede. Können sie nicht ertasten, wo die Straße beginnt, besteht Lebensgefahr! An Außentüren wie z.B. an Terrassen- und Balkontüren ist jedoch ein ganz anderer räumlicher Kontext, der nicht mit den Raumbedarfen von Menschen mit Sehbehinderung und Vollerblindung im öffentlichen Verkehrsraum vergleichbar ist.

Copyright Ulrike Jocham

Weitere Aussagen von Experten zum Thema Nullschwellen und Menschen mit Sehbehinderung oder Vollerblindung.

Achtung Sturzprävention für ältere Menschen – es sind alle Professionen gefragt!

Nullschwellen an Außentüren entsprechen dem geforderten Universal Design der UN-Behindertenrechtskonvention (siehe UN-BRK Artikel 2 und 4f) und sind allerspätestens nach der Nullschwellen-Stellungnahme vom Arbeitsausschuss der DIN 18040 Teil 1 und 2 ganz klar vorgeschrieben. Technische Gründe, die gefährliche 1 – 2 cm hohe Flachschwellen im Zeitalter von Inklusion und demografischen Wandel rechtfertigen können sollen, gibt es seit über 20 Jahren nicht mehr.

 

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