Stellungnahme zum ift Forschungsvorhaben „Bewertung der Barrierefreiheit von Bauelementen am Anwendungsbeispiel Fenster und Türen“ vom Ulrike Jocham, der Frau Nullschwelle
Überrollbarkeit, was hat das mit Barrierefreiheit, Universal Design und Sturzprävention zu tun?!
Am 08.04.19 hat das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) als verantwortliche Fördergeld-Geber folgende Stellungnahme erhalten:
Hier die komplette Stellungnahme von Ulrike Jocham, der Frau Nullschwelle als pdf
Ab hier die komplette Stellungnahme als Blogbeitrag:
Stellungnahme zum Forschungsbericht vom ift Rosenheim vom Juni 2018
Sehr geehrte Frau Helga Hühnhenrich,
vielen Dank für das ausführliche Telefonat, das wir am 26.11.18 geführt haben. Wie besprochen sende ich Ihnen eine Zusammenfassung meiner Kritikpunkte zum Forschungsvorhaben des ift Rosenheim „Bewertung der Barrierefreiheit von Bauelementen am Anwendungsbeispiel Fenster und Türen“ vom Juni 2018.
Die wichtigsten Kritikpunkte sind:
1. Rückständigkeit statt Innovation
Der Ansatz vom ift, „zurück zu den Türschwellen, diesmal überrollbar“ bedeutet keine Innovation, sondern Rückständigkeit.
2. Das Forschungsvorhaben widerspricht den Anforderungen
a) der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), diese fordert Zugänglichkeit und Universal Design, selbst „besser überrollbare“ Türschwellen entsprechen diesen Anforderungen nicht
b) der Bauproduktenverordnung (BauPVO)
c) der Musterbauordnung § 3: bauliche Anlagen dürfen das Leben und die Gesundheit nicht gefährden
d) der DIN 18040 und dem Nullschwellen-Runderlass aus BWhttps://www.die-frau-nullschwelle.de/2014-nullschwellen-runderlass/ . Auch „besser oder schlechter überrollbare Türschwellen zwischen 1 – 2 cm Höhe, sind nicht barrierefrei nach der DIN 18040, wenn es keine technischen Gründe dafür gibt. Siehe Nullschwellen-Stellungnahme vom Arbeitsausschuss der DIN 18040: https://www.die-frau-nullschwelle.de/2013-nullschwellen-stellungnahme/ . Insbesondere bei Neubauten gibt es keine technischen Gründe mehr, die Türschwellen an Außentüren im Zeitalter von demografischem Wandel und Inklusion rechtfertigen. Für eine notwendige Klarheit, muss an dieser Stelle betont werden, dass die DIN 18040 Teil 1 und 2 für Neubauten gilt. Bei Umbauten und Modernisierungen kann diese laut DIN 18040 Teil 2 und soll diese laut DIN 18040 Teil 1 sinngemäß angewendet werden.
e) der Förderrichtlinie des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) über die Vergabe von Zuwendungen für Forschungsvorhaben im Rahmen der Forschungsinitiative Zukunft Bau im
Jahre 2017 vom 16.08.2017 (Laut Ihrer Mail vom 14.11.18 ist diese Förderrichtlinie Grundlage für die Förderung des betreffenden Forschungsvorhabens vom ift Rosenheim.)
3. Nullschwellen und damit Barrierefreiheit und Universal Design beim Übergang zwischen innen und außen sind technisch gelöst – es gibt keine technischen Gründe mehr, die Türschwellen rechtfertigen, insbesondere beim barrierefreien Bauen!
4. Es widerspricht dem Grundsatz der Wirtschaftlichkeit. Für alle finanzwirksamen Maßnahmen müssen angemessene Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durchgeführt werden. Ziel ist die günstigste Relation zwischen dem verfolgten Zweck und den einzusetzenden Mitteln. Türschwellen entsprechen allein aufgrund des demografischen Wandels nicht mehr den aktuellen und zukünftigen Anforderungen an Bauwerke. Der Rückbau von 1 – 2 cm hohen Türschwellen ist extrem kostenintensiv und belastet u.a. die Sozialkassen, steuerfinanzierte Förderprogramme, die Bürger mit und ohne Behinderung, die Pflegefachkräfte und die pflegenden Angehörigen.
Zum Kritikpunkt 1: Rückständigkeit statt Innovation
Laut dem Forschungsbericht vom ift wurde diese Forschung durch die Forschungsinitiative Zukunft Bau des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung mit dem Aktenzeichen: SWD-10.08.18.7-15.08 gefördert. Die entsprechende Förderrichtlinie über die Vergabe von Zuwendungen für Forschungsvorhaben im Rahmen der Forschungsinitiative Zukunft Bau, (die für das ift Forschungsvorhaben zutreffen) haben Sie mir in Ihrer Mail vom 14.11.18 zukommen lassen, vielen Dank dafür. Laut der Mail, die ich am 19.11.18 von Herrn Guido Hagel (Referat II 3) erhalten habe, wurde die genannte Forschungsarbeit vom ift Rosenheim dem Cluster „Demografischer Wandel“ der betreffenden Förderrichtlinie zugeordnet.
Laut diesen Förderrichtlinien gewährt der Bund nach Maßgabe dieser Richtlinie und nach den allgemeinen Verwaltungsvorschriften zu den §§ 23 und 44 der Bundeshaushaltsverordnung Zuwendungen für Forschungs- und Entwicklungsleistungen in der angewandten Gebäudeforschung. „Ziel der Forschungsinitiative Zukunft Bau ist es, die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Bauwesens im europäischen Binnenmarkt zu stärken und deshalb insbesondere den Wissenszuwachs und die Erkenntnisse im Baubereich technischer, baukultureller und organisatorischer Innovationen zu unterstützen.
Doch was hat die Rückkehr zu technisch längst überholten Außentürschwellen, egal ob besser oder schlechter „passierbar“ bzw. „überrollbar“, mit Fortschritt und Innovation zu tun? Im Duden unter https://www.duden.de/rechtschreibung/Innovation#Bedeutung1b vom 29.12.2018 ist folgende Definition zu Innovation zu finden: (Wirtschaft) Realisierung einer neuartigen, fortschrittlichen Lösung für ein bestimmtes Problem, besonders die Einführung eines neuen Produkts oder die Anwendung eines neuen Verfahrens
Dies trifft auf Türschwellen zwischen 1 – 2 cm Höhe nicht zu. Kein Nutzer braucht eine Türschwelle im Boden mit ergonomischen Nachteilen. Türschwellen, egal wie ausgestaltet, stellen immer eine Erhöhung im Boden, und deshalb eine Sturzgefahr für alle dar. Der Arbeitsschutz definiert bereits über 4 mm Höhenunterschied im Boden als Stolpergefahr. Diese Stolper- und Sturzgefahr muss im Zeitalter von demografischem Wandel und Inklusion dringend vermieden werden. In der Profession Pflege steht die Sturzprävention ganz oben. Jedes Kabel, jede Teppichkante und jede Schwelle gilt es zu vermeiden, wobei Türschwellen nicht einfach weggeräumt werden können, wie Kabel und Teppiche. Laut einer Veröffentlichung des Deutschen Ärzteblattes bereits aus dem Jahr 2005 gibt es Schätzungen, wonach jeder 65Plusler zur Hochrisikozielgruppe für Sturzgefahr zählt. https://www.die-frau-nullschwelle.de/deutsches-aerzteblatt-2005-sturzpraevention-bei-senioren-eine-interdisziplinaere-aufgabe/ .Von den zu Hause lebenden 65Pluslern stürze ca. ein Drittel min. einmal pro Jahr. Bei Menschen, die in Heimen wohnen, seien es schon über 50 Prozent, die min. einmal im Jahr stürzen würden. Jeder weiß, was alles passieren kann, wenn ältere Menschen stürzen. Was hat der Forschungsansatz vom ift Rosenheim „zurück zu überrollbaren Türschwellen“ mit Innovation und mit der Realisierung einer neuartigen, fortschrittlichen Lösung für den Übergang zwischen innen und außen zu tun?
Eine Außentüre ohne Türschwelle abzudichten, erfordert eine technisch innovative Leistung. Eine Abdichtung mit Schwelle ist rückständig und hat mit Innovation oder gar Lösungen für den demografischen Wandel und für die Inklusion nichts zu tun. Türschwellen passen nicht mehr zu einer vielfältigen Gesellschaft, mit immer vielfältigeren Anforderungen (Diversitiy Managment, Universal Design, Chancengleichheit).
Zum Kritikpunkt 2: Das Forschungsvorhaben widerspricht den Anforderungen
a) der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), die eine umfassende Teilhabe und Zugänglichkeit für alle (auch für Menschen mit einem intensiveren Unterstützungsbedarf!), sowie ein Universal Design, das jeder nutzen kann, fordert. Eine Fragestellung, welcher Mensch, mit welcher Behinderungsart, welche Türschwellen besser oder schlechter passieren kann, widerspricht diesen Anforderungen grundlegend, insbesondere wenn keine technischen Gründe mehr für Türschwellen vorhanden sind. Eine Nullschwelle hat schon vor über 2 Jahrzehnten das Universal Design der UN-BRK erfüllen können. Zahlreiche Langzeitbewährungen in der Baupraxis zeigen seither die Funktionstauglichkeit selbst in höchsten Belastungsgebieten. Die UN-BRK ist bereits vor 10 Jahren in Kraft getreten.
b) der europäischen Bauproduktenverordnung (BauPVO), die gleich zu Beginn sichere Gebäude für alle Menschen fordert und in den Grundanforderungen an Bauwerke Barrierefreiheit und Nachhaltigkeit verlangt und jegliche Sturz- und Aufprallgefahren untersagt. Die UN-BRK fordert im Artikel 4f die Anpassung von Normen und Richtlinien, wie z.B. auch der DIN EN 14351-1, im Sinne des Universal Designs. Da der Bund sich zur Umsetzung der UN-BRK verpflichtet hat, reicht es bei einem vom Bund geförderten Forschungsvorhaben nicht mehr aus, allein DIN-Normen aufzuführen, ohne zu prüfen, weshalb diese das geforderte Universal Design nicht verlangen. Doch genau dies haben die Autoren des ift Forschungsberichtes gemacht. Sie weisen lediglich darauf hin, dass die Barrierefreiheit nach der DIN EN 14351-1 keine geforderte Leistungseigenschaft ist. Laut ift sei die DIN EN 14351-1 das zentrale Dokument hinsichtlich der allgemeinen Anforderungen, die an Türen und Fenster gestellt werden. Da nachhaltige Nullschwellen längstens technisch gelöst sind, gibt es keinen Grund mehr, die Barrierefreiheit und die Nachhaltigkeit bei Außentüren nicht zu fordern. Nach der UN-BRK und nach der europäischen Bauproduktenverordnung gehört die Barrierefreiheit oder besser das Universal Design längstens als Leistungsanforderungen in die DIN EN 14351-1. Nur so kann erreicht werden, dass Außentüren auch hinsichtlich den Leistungskriterien Barrierefreiheit, Universal Design und Nachhaltigkeit entsprechende Prüfungen und CE-Zeichen erhalten. Stattdessen werden an dieser Stelle weder die UN-BRK noch die BauPVO umgesetzt, und das technisch ohne Grund. Für die Nutzer von Immobilien bedeuten derartig intransparente Strukturen einen großen Nachteil. Als Vermittlerin und Brückenbauerin zwischen den Professionen konnte ich sehr viele Mieter und Käufer kennen lernen, die auf Nullschwellen angewiesen waren, jedoch keine erhalten haben oder nur unter großem Kampf. Die Kraft für einen derartigen Einsatz haben jedoch insbesondere Menschen mit Behinderung und ältere Menschen oft nicht. Sie leben häufig unter extrem schweren Lebensbedingungen und müssen zumeist an vielen andren Stellen für etwas kämpfen, was sie brauchen. Für viele Menschen bedeuten Nullschwellen eine grundlegende Lebensqualität. Weshalb erhalten Außentüren mit Schwellen überhaupt ein CE-Zeichen? Weshalb sind bis heute selbst innerhalb des barrierefreien Bauens Außentüren mit bis zu 2 cm hohen Türschwellen anzutreffen? Allein nach der UN-BRK dürften Türen mit gefährlichen Türschwellen kein CE-Zeichen erhalten, insbesondere Außentüren, die innerhalb der Barrierefreiheit verbaut werden. Türschwellen zwischen 1 und 2 cm bedeuten für viele Menschen mit Behinderung Ausgrenzung, Benachteiligung und Sturzrisiken. Mit Innovation und einer Verantwortung der Endnutzer von Immobilien gegenüber haben derartige versteckte Hemmstrukturen nichts zu tun. Laut den Autoren hätten diese auch die UN-Behindertenrechtskonvention recherchiert. (siehe Forschungsbericht Seite 3). Die UN-BRK verlangt Normen und Richtlinien, die Universal Design fördern. (UN-BRK Artikel 4f) Die DIN EN 14351-1 hemmt technisch grundlos das von der UN-BRK geforderte universelle Design. Aus welchen Gründen führen die Autoren diese bedeutenden Forderungen der UN-BRK nicht auf?
c) der Musterbauordnung § 3. Demnach dürfen bauliche Anlagen das Leben und die Gesundheit nicht gefährden. Hier verweise ich nochmals auf das Thema Sturzprävention in der Architektur. Leider wurde es bis heute versäumt, dieses Thema, das im Fachbereich Pflege oder Heilerziehungspflege ganz oben steht, in den Aus- und Weiterbildungen der Baubranche entsprechend gleichwertig zu verorten. Dies hat immens schädliche Auswirkungen, es fehlt bei Ingenieuren und Technikern erschreckend oft ein Bewusstsein für technische Ausführungen, die eine Sturzgefährdung für immer mehr Menschen nach sich ziehen. Auch ein Verständnis für die schädlichen Auswirkungen von Stürzen fehlt bei Professionellen der Bau- sowie der Tür- und Fensterbrache sehr oft. Ich persönlich habe während meiner Tätigkeit als Heilerziehungspflegerin in zahlreichen Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe sowie in Einrichtungen der Behinderten- und Altenhilfe gearbeitet. Türschwellen stellen für viele Kinder, Menschen mit Behinderung und insbesondere für 65Plusler eine Gefahr für Leib und Leben dar. Ganz besonders diese kleinen 1 – 2 cm hohen Türschwellen können ganz leicht übersehen werden. Stellen Sie sich vor, eine 95-Jährige ist noch für ihr Alter fit und selbstständig. Sie merkt nur einmal beim Gang auf den Balkon nicht, dass sie ihren Fuß unzureichend anhebt und stürzt deshalb. Wie groß sind die Chancen, dass diese Frau noch selbstständig weiterleben kann? Wer trägt die Kosten für die medizinischen Behandlungen und den folgenden Mehrbedarf an Pflege?
d) der DIN 18040 Teil 1 und 2, die 0 cm hohe Türschwellen vorschreibt. Seit über 12 Jahren beobachte ich nun schon einen mehr als erstaunlichen „Eiertanz“ von vielen Bauverantwortlichen um das Thema Türschwellen. 2013 ist es mir gelungen, dass der Arbeitsausschuss der DIN 18040 eine längst überfällige und bedeutende Nullschwellen-Stellungnahme formuliert hat. Diese hat die Fachzeitschrift BEHINDERTE MENSCHEN in einem Artikel von mir öffentlich gemacht. Diese Nullschwellen-Stellungnahme besagt, dass nur 0 cm hohe Türschwellen barrierefrei sind und alle bis zu 2 cm hohen Türschwellen absolute Einzelfälle, die technisch begründet werden müssen. Doch wo sind diese technischen Begründungen? Es fehlen Überprüfungen. Dies kann auch bei denAutoren des ift Forschungsberichts nachverfolgt werden. Auf Seite 59 behaupten sie folgendes: „Rein normativ betrachtet hielten mit einer Schwellenhöhe von max. 2 cm etwa 2/3 der Schwellen die Anforderung ein.“ Technische Gründe, die diese nach der DIN 18040 unzulässigen Türschwellen rechtfertigen sollen, fehlen auch im Forschungsbericht. Laut dem Forschungsbericht auf Seite 59 gehen die Autoren einfach davon aus, dass bis zu 2 cm hohe Türschwellen „normativ“ korrekt sein sollen. Weiterhin ignorieren die ift-Autoren den Nullschwellen- Runderlass aus Baden-Württemberg, der in noch deutlicheren Worten das Gleiche verlangt, wie die Nullschwellen-Stellungnahme vom Arbeitsausschuss der DIN 18040.
e) der Förderrichtlinie vom BMUB über die Vergabe von Zuwendungen für Forschungsvorhaben im Rahmen derForschungsinitiative Zukunft Bau, Cluster „Demografischer Wandel“
Die Punkte, die beispielhaft in der Förderrichtlinie unter dem vom ift als geförderten Cluster „Demografischer Wandel“ aufgeführt werden, stehen ebenfalls im Widerspruch zu Türschwellen, egal ob besser oder schlechter überrollbar. Nur Nullschwellen entsprechen einem nutzerorientierten Bauen, einer Anpassungsfähigkeit vor dem Hintergrund aktueller gesellschaftlicher Entwicklungen, innovativen Konzepten, Produkten für das barrierefreie Bauen, bediener- und nutzerfreundlichen Ausstattungen von Gebäuden, altersgerechten Assistenzsystemen für ein selbstbestimmtes Leben, vielfältigen Lebensplänen, unterschiedlichen Bedürfnissen und Chancengleichheit (siehe Förderrichtlinie Cluster demografischer Wandel) – bis zu 2 cm hohe Türschwellen nicht.
Zum Kritikpunkt 3: Nullschwellen sind technisch gelöst – es gibt keine Gründe mehr für bis zu 2 cm hohe Türschwellen
Wie Sie in meiner Publikationsliste https://www.die-frau-nullschwelle.de/publikationsliste/ sehen können, recherchiere ich seit vielen Jahren intensiv und disziplinübergreifend zu Themen wie Barrierefreiheit, Universal Design, Inklusion, Empowerment in der Architektur, alternative Wohn- und Betreuungskonzepte, inklusive, demografietaugliche und wirtschaftliche Wohnprojekte und Nullschwellen. Nullschwellen an Außentüren stellen die unabdingbare Grundvoraussetzung für inklusive und demografietaugliche Gebäude und Wohnungen dar. Diese bedeutsame Schnittstelle zwischen Mensch und Bauwerk entscheidet, ob Menschen ein Recht auf eine umfassende Teilhabe an diesen Bauwerken erhalten, oder ob Menschen grundlos gleich bei den Eingängen ausgeschlossen werden. Diese bedeutende Schnittstelle kann schon längst so gestaltet werden, dass jeder sicher und komfortabel teilhaben kann. Schon vor über 12 Jahren konnte ich durch den Gründer des Bielefelder Modells, Werner Stede (†) erleben, dass Nullschwellen gelöst sind und sogar in Sozialwohnungen wirtschaftlich umsetzbar. Seither stellen zahleiche Magnet-Nullschwellen nicht nur in zahlreichen Wohnprojekten, ihre Funktionstauglichkeit unter Beweis. Trotzdem existieren dringend zu prüfende innovations- und inklusionshemmende Strukturen. Transparenz und innovatives Changemanagement bieten hier spannende Stellschrauben für Universal Design, Barrierefreiheit, Nachhaltigkeit, Inklusion, Sturzprävention und Ressourceneffizienz.
Als ich 2008 für mehrere Wohnungsunternehmen das Bielefelder Modell nach Baden-Württemberg implementieren sollte, habe ich erlebt, dass Nullschwellen in Bielefeld möglich waren, doch in Baden- Württemberg und an vielen weiteren Orten nicht umgesetzt wurden. Es gab Behauptungen ohne Belege, diese würden Wasser ins Gebäude lassen. Doch weshalb soll es nur in Bielefeld funktionieren? Es gelang mir 2010, den Einbau einer Nullschwelle als Magnet-Doppeldichtung (jahrelang die einzige Nullschwelle für Drehflügeltüren mit min. Schlagregensicherheit 9 A, siehe z.B. Prüfzeugnis aus 2001) im Bestand zu ermöglichen. Allerdings musste ich dafür über 20 Fensterbauer anrufen, bis ich endlich einen gefunden habe, der bereit war, diese Nullschwelle anstatt einer 1 – 2- cm hohen Stolperschwelle einzubauen. Der Erfolg dieses Einbaus verstärkte meine Vermutung, dass die Technik der Nullschwelle tadellos funktioniert, jedoch im System der Bauverantwortlichen Innovationshemmungen vorhanden sein müssen. Seither kenne ich mehr als zahlreiche und bewährte Nullschwellen-Einbaubeispiele, die alle bei fachgerechtem Einbau systemsicher funktionieren – sogar bei Stulptüren in Hochbelastungsgebieten ohne zusätzliche Rinne oder Vordach! Doch im Forschungsbericht wird diese bewährte Magnet-Abdichtungstechnik, nicht ausreichend untersucht. Weshalb? Diese Nullschwellen- Technik stellte über 20 Jahre die einzige Nullschwellen-Lösung für Drehflügel-Außentüren dar. Darin steckt jahrzehntelanges technisches Know-how. Warum wird dieses technische Wissen von den Autoren des ift- Forschungsberichtes nicht mit einbezogen? Mangelhafte Recherchen können z.B. auf Seite 55 nachverfolgt werden. Gerade die Magnet-Nullschwelle kann nicht nur Barrierefreiheit und Universal Design bei der Nullschwellen-Dichtung an sich vorweisen, sondern auch bei den speziell für diese Nullschwellen-Technik entwickelten Nullschwellen-Anschlüssen. Verschiedene Anschlussvariaten, wie z.B. einklipsabere Rinnen, Fußabstreifer oder Überbrückungsprofile garantieren nachhaltige schwellenfreie Übergänge. Auch industriell vorgefertigte Bauwerksabdichtungen, die sogar in der Forschungsarbeit „Schadensfreie niveaugleiche Türschwellen“ vom AIBAU explizit hervorgehoben werden, gibt es nur bei Magnet-Nullschwellen. Dieser Universal-Design-Standard bietet Lernpotential, der jedoch im Forschungsbericht nicht erwähnt wird. Stattdessen bemängeln die Autoren im Kontext der Magnet-Nullschwelle einen abgesenkten Gitterrost, der mit der Technik der Magnet-Nullschwelle in diesem Fall nichts zu tun hat. Hier fehlt die Erwähnung der möglichen einklipsbaren Überbrückungsprofile und der einklipsbaren Rinnenprofile, mit welchen durch die feste Verbindung nachhaltig schwellenlose Übergänge garantiert werden können. Zusätzlich gibt es bereits einige Einbaubeispiele, in welchen die Magnet-Nullschwelle zeigt, dass bei einer entsprechenden Planung auf eine direkt angrenzende Rinne komplett verzichtet werden kann. Auch diese bedeutende Tatsache vergessen die Autoren im Forschungsbericht und bei ihrer Kritik auf Seite 55 zu erwähnen.
Bis zu 2 cm hohe Schwellen technisch schlechter als Nullschwellen?!
Laut einer anderen Publikation vom ift Rosenheim aus dem Jahr 2016 erreichen bis zu 2 cm hohe Türschwellen ohne zusätzliche Maßnahmen max. die Schlagregendichtheit der Klasse 5 A nach der DIN EN 12208. Die schwellenfreie Magnet-Doppeldichtung hingegen hat jedoch bereits 2001 die um 4 Klassen bessere Schlagregendichtheit 9 A erzielt. Weshalb wird diese bedeutende Tatsache im Forschungsbericht nicht erwähnt? Auch in der öffentlich geförderten Forschungsarbeit „Schadensfreie niveaugleiche Türschwellen“ vom AIBau schneidet die tatsächlich einzige Nullschwelle, mit der Magnet-Abdichtungstechnik und den dazugehörigen Bauwerksabdichtungen besser ab, als die 1 – 2 cm hohen Schwellendichtungen.
In der Zusammenfassung des Forschungsberichtes vom ift Rosenheim hingegen behaupten die Autoren, dass den Anforderungen nach Schwellenlosigkeit oder niedrigen Bedienkräften durch die DIN 18040 Teil 1 und 2 „zahlreiche Leistungseigenschaften wie z.B. Schlagregendichtheit, Luftdurchlässigkeit, Einbruchhemmung teils konträr gegenüber“ stünden. Erstaunlich. Es sind alle Leistungsanforderungen bei Nullschwellen gelöst: Schlagregensicherheit sogar mit 9 A und höher (auch bei Stulptüren!), Luftdurchlässigkeit, Einbruchhemmung und sogar als Weltneuheit die Passivhauszertifizierung (siehe Prüfzeugnisse im Anhang).
Nullschwellen sind seit 1996 für Drehflügel-Außentüren technisch gelöst. Allerdings hat nur ein Hersteller auf den Bedarf aufgrund des demografischen Wandels reagiert. Erst ab 2016, also 20 Jahre später, und erst nach der Nullschwellen-Stellungnahme aus 2013 und nach dem Nullschwellen-Runderlass aus 2014, haben weitere Hersteller Nullschwellen für Drehflügel-Außentüren auf dem Markt eingeführt. Allerdings weisen diese ausschließlich absenkbare Abdichtungstechniken vor, die alle eine direkt angrenzende Rinne benötigen. Weshalb war diese erstaunliche Entwicklungsverzögerung bei einem längst bekannten Bedarf überhaupt möglich? Und weshalb veröffentlicht das ift trotz vorhandenen Nullschwellen-Lösungen den Forschungsbericht, u.a. mit der Behauptung, Türschwellen seien technisch notwendig?
Zum Kritikpunkt 4: Wirtschaftlichkeit
Der Bau von Türschwellen bedeutet einen wirtschaftlichen Schaden für die Bürger und die sozialen Sicherungssysteme, insbesondere in einer Gesellschaft mit immer mehr älteren Menschen, die immer mehr Kosten u.a. für die Pflegeversicherung erzeugen. Türschwellen erzeugen Pflegebedarf bei allen Menschen, die nicht selbstständig über kleine Türschwellen gelangen. Insbesondere in einer Zeit, in der die Frage nach der Finanzierungsmöglichkeit von Pflege immer lauter wird, und die Beiträge für die Pflegeversicherung mehr als deutlich ansteigen, sind pflegeerzeugende Schwellenausführungen nicht mehr zu verantworten. Und die Behandlungen nach Stürzen müssen die Krankenkassen bezahlen. Hinzu kommen nach Stürzen bei älteren Menschen meist noch die Kosten für den Mehrbedarf an Pflege. Auch die kostenintensiven Türschwellen- Rückbaumaßnahmen für Menschen mit Pflegebedarf müssen von den Pflegeversicherungen und den Bürgern getragen werden. Weiterhin gibt es Förderprogramme wie z.B. von der KFW, die den Rückbau von Türschwellen bezuschussen. Diese immensen Folgekosten rechtfertigen auch wirtschaftlich betrachtet den Bau von gefährlichen, ausgrenzenden und benachteiligenden Türschwellen nicht mehr, insbesondere wenn
a) es bis heute nicht nachgewiesen ist, dass nachhaltige industriell vorgefertigte Nullschwellen bei einer fortschrittlichen Planung mit Einkalkulierung aller möglichen technischen Einsparpotentiale, tatsächlich kostenintensiver sein sollen.
b) weitere hochspannende Einsparpotentiale durch industriell vorgefertigte Bauweisen, z.B. Modulbauweise in Millionenhöhe möglich sind. Siehe mein neuer Brückenbautext zwischen den Professionen unter:
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c) der Bund in der Verantwortung steht, die Funktion z.B. der Pflegeversicherung auch noch in 5, 10, 20 und 30 Jahren zu sichern. Bei meinen zahlreichen Vorträgen und Seminaren vor Bauverantwortlichen (z.B. Bauträger, Unternehmen der Türen- und Fensterindustrie, Generalunternehmer) zum Thema Barrierefreiheit, Universal Design und Nullschwellen wurde immer wieder folgendes Argument aufgeführt: „Wenn wir heute Türschwellen bauen, die in ein paar Jahren wieder zurückgebaut werden müssen, bekommen wir wieder Aufträge – weshalb sollen wir heute Nullschwellen bauen.“ Dies kann ein Interesse der Baubranche darstellen, jedoch nicht ein Interesse des Bundes! Laut der Förderrichtlinie und dem § 23 der Bundeshaushaltsverordnung dürfen Fördermittel nur veranschlagt werden, wenn der Bund ein erhebliches Interesse daran hat, „das ohne die Zuwendungen nicht oder nicht im notwendigen Umfang befriedigt werden kann.“
Selbst den Autoren wird gesagt, dass einige Menschen bis zu 2 cm hohe Türschwellen nicht passieren können: „Im Gespräch mit Pflegeheimbewohnern berichteten diese, dass schon deutlich niedrigere als 2 cm hohe Schwellen ein Passieren deutlich erschweren oder teils unmöglich machen können.“ (Seite 104) Weshalb haben sie nach so einer Aussage überhaupt noch die Überrollbarkeit von 1 oder 2 cm hohen Türschwellen untersucht? Weshalb haben sie sich nicht auf die vorhandenen flacheren Lösungen kleiner als z.B. 6 mm konzentriert? Die Autoren behaupten doch auf Seite 3 zu dem Punkt Gesetze und Verordnungen, dass sie auch die UN-Behindertenrechtskonvention recherchiert hätten. Weshalb halten die Autoren sich nicht an die darin beschriebenen Anforderungen des Universal Designs?!
Wer die UN-BRK umsetzen will sucht Wege und Lösungen. Wer diese nicht umsetzen will, sucht Wege diese zu umgehen. Nullschwellen sind unverzichtbar für die Umsetzung der UN-BRK, Türschwellen hingegen verhindern die Umsetzung der UN-BRK grundlos. Bitte unterstützen Sie nach 10 Jahren UN-BRK deren Umsetzung, nicht deren grundlose Verhinderung.
Mit freundlichen Grüßen
Ulrike Jocham, die Frau Nullschwelle
Die komplette Stellungnahme zum ift-Forschungsvorhaben und der „Überrollbarkeit“: Forschungsbericht_ift_Stellungnahme_Schreiben08.04.19