In diesem Blogbeitrag finden Sie eine Stellungnahme vom Blinden- und Sehbehindertenverein Südbaden e.V. zum Thema Türschwellen. Bis heute wird häufig behauptet, dass Türschwellen von Menschen mit Sehbehinderung und Vollerblindung zur Orientierung benötigt werden. So lautet z.B. auch eine Behauptung vom ift Rosenheim in der ift-Richtlinie BA-01/1 „Ermittlung und Klassifizierung der Überrollbarkeit von Türschwellen“ vom Oktober 2018 auf Seite 4: Für blinde Menschen hingegen, soll eine Schwelle der Orientierung dienen, wenn diese eine gut ertastbare Mindesthöhe böte. Doch das stimmt so nicht!
Laut dem Geschäftsführer des Blinden- und Sehbehindertenvereins Südbaden e.V. Mischa Knebel und deren Fachkraft für Orientierung und Mobilität Janine Aleksov sind Türschwellen an Außentüren zur Orientierung für Menschen mit Sehbehinderung und Vollerblindung nicht notwendig. Im Gegenteil in Gebäuden und Wohnungen sowie deren Außenhüllen stellen Türschwellen eine Stolpergefahr auch für Menschen mit Sehbehinderung und Vollerblindung dar. Mischa Knebel und Janine Aleksov erklären dies aufgrund einer Anfrage von Ulrike Jocham in einer aktuellen Stellungnahme von 12.07.19 folgendermaßen:
„Für blinde Menschen bilden Türschwellen am Boden gefährdende Stolperfallen.
Im Rahmen einer Schulung in Orientierung und Mobilität (Training im Umgang mit dem weißen Blindenlangstock) erlernen blinde Menschen die Fortbewegung außerhalb der häuslichen Umgebung mit einem weißen Blindenlangstock.
Die Schulung beinhaltet weiter die Orientierung im innerhäuslichen Umfeld mittels Fortbewegung mit Hilfe eines weißen Blindentaststockes.
In vertrauter Umgebung kann der Taststock weggelassen werden. In diesem Falle wird die Fortbewegung mit Hilfe der Hände als Mobilitätshilfe erlernt.
Türdurchlässe können mit dem Blindentaststock oder mit den Händen ertastet werden. Türschwellen als Orientierungshilfen am Boden werden nicht empfohlen und von uns ausdrücklich nicht befürwortet.
Sehbehinderte Menschen, also Personen mit verbleibendem Restsehvermögen orientieren sich optisch an ihrer Umgebung. Dies sollte durch hohe Kontraste gefördert werden. Beispielsweise empfiehlt es sich, bei weiß tapezierten Räumen die Türrahmen dunkelblau zu umranden. Glastüren sind gemäß der DIN 18040-1:2010-10 mit Markierungen in Kinder-Blick-Höhe und zudem in Erwachsenen-Blick-Höhe zu kennzeichnen. Um Ganzglastüren und Glasflächen zu kennzeichnen, sind visuell kontrastierende Markierungsstreifen über die ganze Breite in 40 bis 70 cm und 120 bis 160 cm Höhe anzubringen, sodass sie auch bei wechselnden Hintergründen und Lichtverhältnissen wirksam sind. Die empfohlene Höhe der Sicherheitsmarkierungen beträgt jeweils 8 cm.
Für sehbehinderte Personen sind Türschwellen am Boden – stärker noch als für blinde Menschen – eine große Gefahr und können zu Stürzen und erheblichen Folgeschäden führen.
Ist ein Altbau bauseitig mit solchen Schwellen ausgestattet, muss der Umgang damit individuell mit der betroffenen Person trainiert werden.
Bei Sanierungen oder Neubauten ist von Erhebungen dringend abzuraten.“
Auch diese Stellungnahme bestätigt, dass Nullschwellen an Außentüren auch für Menschen mit Sehbehinderung und Vollerblindung besser sind und Türschwellen in Gebäuden und Wohnungen sowie deren Fassaden zur Orientierung für Menschen mit Sehbehinderung und Vollerblindung nicht benötigt werden.
Nullschwellen an Außentüren zeigen, dass das geforderte Universal Design der UN-BRK an dieser Konstruktionsstelle schon seit über 20 Jahren möglich ist. Dieses Universal Design hat die Nutzbarkeit, die umfassende Teilhabe und die Erleichertung des Alltags von allen Menschen zum Ziel. Nullschwellen an Außentüren sind für alle Menschen nutzbar und zusätzlich sturzpräventiver, ergonomischer, sicherer und ästhetischer als technisch überholte Türanschlagschwellen.
Weitere Zitate und Stellungnahmen von Experten in eigener Sache und Verbänden/Vereinen von und für Menschen mit Sehbehinderung und Vollerblindung: