Nur bestimmte Schwellen werden noch wirklich gebraucht!

Sachverstand oder Schaden für die Allgemeinheit

Kann hier von Sachverstand oder Schaden für die Allgemeinheit gesprochen werden? Weshalb trauen sich Techniker, Ingenieure und Bausachverständige folgende derart weitreichende Tatsachenbehauptungen zu äußern: Für „Rollstuhlfahrer“ seien wegen der relativ großen Räder 20 mm hohe Türschwellen unproblematisch?

Diese Behauptung ist dem Fachbuch Balkone, Loggien und Terrassen vom Rudolf Müller Verlag zu entnehmen. Ein Fachbuch (ISBN 978-3-481-03407-8) von fünf Sachverständigen für Schäden an Gebäuden geschrieben, vier davon sogar öffentlich bestellt und vereidigt – ein Sachverstand par excellence, zumindest laut offizieller Bestellkörperschaften und Verordnungen für Sachverständige. Doch diese geforderte Sachkunde und persönliche Eignung vermisse ich in diesem Buch. Zahlreiche Aussagen haben bei mir sogar fachliches Entsetzen hervorgerufen. Gerade die Freisitze steigern den Wert von Gebäuden, da stimme ich dem Klappentext des Buches zu. Doch genau dieser wertvolle Freiraum soll zahlenden Kunden grundlos verwehrt bleiben oder der Zugang nur unter großer Gefahr gewährleistet werden? Bereits heute zählen über 20 Mio. deutsche Bürger zu den Hochrisikozielgruppen für Sturzgefahr. Der Arbeitsschutz definiert bereits 4 mm als Stolpergefahr.

Mein Nullschwellen-Kommentar zum Buch Balkone, Loggien und Terrassen ist in der Glaswelt erschienen: hier klicken

Die komplette Fassung gibt es hier:

Sachverstand oder Schaden für die Allgemeinheit?

Ein Nullschwellen-Kommentar von Ulrike Jocham

Das Fachbuch „Balkone, Loggien und Terrassen“ von fünf Sachverständigen für Schäden an Gebäuden geschrieben, vier davon sogar öffentlich bestellt und vereidigt – ein Sachverstand par excellence, zumindest nach offiziellenBestellkörperschaften und Verordnungen für Sachverständige. Laut der IHK Karlsruhe, die für einen der fünf Autoren als Bestellbehörde zuständig ist, hat die öffentliche Bestellung den „Zweck, Gerichten, Behörden und der Öffentlichkeit besonders sachkundige und persönlich geeignete Sachverständige zur Verfügung zu stellen, deren Aussagen besonders glaubhaft sind“. Doch diese geforderte Sachkunde und persönliche Eignung vermisse ich in diesem Buch. Zahlreiche Aussagen haben bei mir als Brückenbauerin zwischen allen am Thema „Demografie und Inklusion“ beteiligten Professionen sogar fachliches Entsetzen hervorgerufen. Gerade die Freisitze steigern den Wert von Gebäuden, da stimme ich dem Klappentext des Buches zu. Doch genau dieser wertvolle Freiraum soll zahlenden Kunden grundlos verwehrt bleiben oder der Zugang soll nur unter großer Gefahr gewährleistet werden? Bereits heute zählen über 20 Mio. deutsche Bürger zu den Hochrisikozielgruppen für Sturzgefahr. Der Arbeitsschutz definiert bereits 4 mm als Stolpergefahr.

Null ist gleich zwei oder gar fünf?!

Doch die Autoren definieren 2 cm als „schwellenlos“ und behaupten, dass diese Höhe keine Stolperschwelle darstelle und auch von Personen mit Bewegungseinschränkung gut zu überwinden sei (S. 67).Weiterhin schreiben sie sogar, dass eine Schwellenhöhe von 2 cm für „Rollstuhlfahrer“ wegen der relativ großen Räder des Rollstuhls unproblematisch sein solle (S. 190). Der Heilerziehungspflege Bernd Pörtener, also ein Experte, der tagtäglich mit Menschen mit Behinderung arbeitet, sieht dies anders: „Für viele, die einen Rollstuhl benutzen, kann auch eine Mauer in die Tür gebaut werden, die hat dann den gleichen Effekt wie 2 cm hohe Türschwellen, denn sie kommen nicht darüber.“ (Jocham 2014: 29) Für Autoren und Verlag reicht anscheinend der Sachverständigenstatus für Schäden am Bau völlig aus, um sich derartig weit in fachfremde Professionen wie Pflege, Medizin, soziale Arbeit und Expertentum in eigener Sache hinein zu wagen – recherchieren, befragen, begründen oder gar belegen ist nicht notwendig?! Zusätzlich definieren die Autoren im Buch eine Abbildung mit einer 50 mm hohen Aufkantung plus einer Türschwelle mit ungefähr der gleichen Höhe als schwellenlos (S. 188). An einer anderen Stelle fordern sie: „Grundsätzlich sollte angestrebt werden, eine Mindestaufkantungshöhe der Abdichtung von 20 mm sicherzustellen.“ (S. 188) Die Frage nach dem Warum bleibt offen, denn selbst die Autoren wissen erstaunlicherweise zwei Seiten später, dass Nullschwellen technisch gelöst sind (S. 190). Doch nur eine Seite von den insgesamt 236 Seiten wird dieser Lösung gewidmet.

Technischer Wissensmangel?

Die schwellenfreie Magnet-Nullschwelle schafft seit ihrer Geburtsstunde vor über 15 Jahren die Schlagregensicherheitsklasse 9 A nach DIN EN 12208 und heute sogar schon E 1200. Hielten die schwellenfreien Türdichtungen bisher orkanartigen Stürmen bei Windstärke 11 stand, gibt es jetzt die ersten Magnet-Doppeldichtungen, die bei Orkan und Windstärke 12 und höher keinen Tropfen Wasser ins Gebäude lassen,und das ohne zusätzliche kostenintensive Schutzmaßnahmen wie z. B. Vordächer. Im Buch ist diese technische Leistung nicht beschrieben. Auch die Andichtungen der Magnet-Nullschwellen, die sogar vom Aachener Institut für Bauschadensforschung und angewandte Bauphysik (AIBAU) im Forschungsbericht „Schadensfreie niveaugleiche Türschwellen“ aufgrund ihres hohen Grades an industrieller Vorfertigung beispielhaft empfohlen werden, führen die Autoren als mögliche Zusatzmaßnahme nicht auf. Sie erläutern hauptsächlich DIN-Normen, wie z. B. die in der Baubranche allseits bekannte DIN 18195. Doch reicht ein derartiger Wissensstand im Zeitalter von Inklusion und demografischer Wandel, begrenzt auf Normen und Richtlinien, für die verlangte Sachkunde aus?!

Rechtliche Sachverständigenlücken?

Nicht nur der demografische Wandel und das Wohl der Allgemeinheit bestehen auf mehr, auch aktuelle gesetzliche Entwicklungen. Das Gesetz zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderung (UN-BRK), das seit 2009 in Deutschland gilt, fordert ganz grundsätzlich ein universelles Design, das von möglichst allen Menschen benutzt werden kann, und schreibt eine entsprechende Anpassung von Normen und Richtlinien vor (UN-BRK Artikel 2 und 4 f.). Dieses Gesetz gab mir Rückenwind bei meiner beharrlichen Argumentation für Schwellenfreiheit in Baden-Württemberg (BW). Heute ist BW Vorreiter, ein bahnbrechendes Schreiben vom Ministerium für Verkehr und Infrastruktur (MVI BW) verbietet mittlerweile Türschwellen innerhalb des sog. barrierefreien Bauens: „In Fällen, in denen die technische Erforderlichkeit einer Schwelle nur behauptet und nicht substantiiert begründet wird oder in denen die Planung einer schwellenlosen Erschließung gar nur schlicht vergessen wurde, liegen selbstverständlich keine Ausnahmen im Sinne der genannten technischen Regeln vor und es ist auf Herstellung einer schwellenlosen Erschließung zu dringen.“ Diese rechtlichen Anforderungen haben Folgen für die Baubranche und deren Kunden, werden allerdings im ganzen Fachbuch nicht erwähnt.

Die aufgeführten Fakten sprechen dafür, dass viele Aussagen dieses Buches nicht nur unbelegt, sondern auch extrem schädlich sind. In Zeiten von Inklusion und Pflegestärkungsgesetzen werden bei immer knapper werdenden Pflegeressourcen mehr als dringend Gebäude benötigt, in denen Menschen gestärkt ihr ganzes Leben verbringen können. Türschwellen hingegen erzeugen eine „Pflegeschwächung“und verhindern längst mögliche Innovation. Die Kosten für die Folgeschäden, wie z. B. Personenschäden oder Rückbauten, übernehmen die sozialen Sicherungssysteme und Immobilienkunden. Wo bleibt denn da der Sachverstand?

Zu meiner Buchrezension aus der Fachzeitschrift BEHINDERTE MENSCHEN geht es hier.

Kommentar von der Frau Nullschwelle, Nachtrag vom 09.11.18: Als Vollblut-Heilerziehungspflegerin, die bereits in zahlreichen Einrichtungen der Alten- und Behindertenhilfe gearbeitet hat, kann ich bei derartig weitreichenden unbelegten Behauptungen nur widersprechen. Jede technisch überholte Türschwelle erzeugt heute bei den längst bekannten gesellschaftlichen Problemen erheblichen wirtschaftlichen und menschlichen Schaden, den jedoch leider bis heute die sozialen Sicherungssysteme und die Bürger tragen sollen. Als Dipl.-Ing. in Architektur weiß ich, dass Nullschwellen seit über zwei Jahrzehnten schon gelöst sind. Ich freue mich über Kommentare, Antworten und Reaktionen! Auf gehts in eine schwellenfreie Immobilienzukunft!!!

Ulrike Jocham, die Frau Nullschwelle

 

 

 

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