Die Nullschwellen-Petition geht weiter. Es fehlen bis heute ganz konkrete technische Begründungen für den Bau der 1 – 2 cm hohen Türschwellen im neuen Kleeblatt-Pflegeheim in Erligheim und in der neuen betreuten AWO-Seniorenwohnanlage in Freiburg-Weingarten. Beide Pflegeimmobilien wurden erst 2017 ganz neu eröffnet. Die Nullschwellen-Stellungnahme und der Nullschwellen-Runderlass erfordern konkrete technische Begründungen für jeden Türschwellen-Ausnahmefall!
Am 19.07.18 wurde die Nullschwellen-Petition behandelt und es wurde auf Grundlage einer Beschlussempfehlung des Berichterstatters „Epple“ beschlossen, dass der Petition nicht abgeholfen werden kann. Aufgrund meiner Rückmeldung zu dieser Beschlussempfehlung (siehe Drucksache 16/4347 des Landtags BW Petition 16/2100) läuft die Nullschwellen-Petition nun doch weiter.
Die betreffende Beschlussempfehlung vom Berichterstatter Epple gibt es hier: Beschlussempfehlung Epple_fehlende Belege
Dieser Beschlussempfehlung fehlen bedeutende Belege und die Anforderungen von der Nullschwellen-Stellungnahme und vom Nullschwellen-Runderlass werden nicht erfüllt.
Die Forderungen der Nullschwellen-Stellungnahme: Der Arbeitsausschuss der DIN 18040 hat bereits im Jahr 2013 eine deutliche Klarstellung formuliert, die ich auf Anfrage beim DIN e.V. erwirken konnte. Diese klärende und längst überfällige Stellungnahme hat die Fachzeitschrift BEHINDERTE MENSCHEN in einem Artikel von mir öffentlich gemacht. Darin wird mehr als deutlich, dass nur 0 cm hohe Türschwellen barrierefrei sind: „Nur eine niveaugleiche, schwellenlose Ausbildung bei Außentüren, das heißt mit einer Schwellenhöhe von null Zentimetern, ist barrierefrei.“ Die im zweiten Satz formulierte Höhe von 2 cm stelle lediglich einen Ausnahmefall im begründeten Einzelfall dar. Jede Ausnahme muss laut dieser Stellungnahme von einem Sachverständigen technisch begründet werden können! Doch welche Gründe sollen im Neubau eines Pflegeheimes im Jahr 2017 den Bau von gefährlichen Türschwellen als Stolperfallen rechtfertigen, wenn bereits Nullschwellen-Einbaubeispiele aus dem letzten Jahrtausend vorhanden sind, die bis heute ausgezeichnet funktionieren? Auch die technischen Begründungen für die 1 – 2 cm hohen Türschwellen zu den Balkonen in der neuen AWO-Seniorenwohnanlage in Freiburg-Weingarten fehlen bis heute.
Die Forderungen des Nullschwellen-Runderlasses: Auch der Nullschwellen-Runderlass der obersten Baurechtsbehörde BW vom 16.12.14 verlangt genaue Begründungen: „In Fällen, in denen die technische Erforderlichkeit einer Schwelle nur behauptet, und nicht substantiiert begründet wird, oder in denen die Planung einer schwellenlosen Erschließung gar nur schlicht vergessen wurde, liegen selbstverständlich keine Ausnahmen im Sinne der genannten technischen Reglen vor und es ist auf Herstellung einer schwellenlosen Erschließung zu dringen.“ Laut DUDEN bedeutet substantiieren mit Substanz erfüllen, durch Tatsachen belegen. Doch wie dringt der Verfasser „Epple“ nun auf substantiierte, also mit Tatsachen belegte Begründungen für die gefährlichen Türschwellen im Pflegeheim in Erligheim und in der betreuten Seniorenwohnanlage in Freiburg-Weingarten?
Der Verfasser „Epple“ behauptet ohne die Nullschwellen-Stellungnahme vom Arbeitsausschuss der DIN 18040 zu beachten folgendes: „In Anbetracht der Komplexität des Bauens muss die Möglichkeit einer Schwelle in der Praxis gegeben sein. Auch wenn es, wie die Petentin darlegt, technische Systeme gibt, die Schwellen ersetzten können, ist nicht denkgesetzlich zwingend ausgeschlossen, dass in bestimmten Fällen doch Schwellen erforderlich werden, (…).“ Der Berichterstatter „Epple“ geht einfach davon aus, dass technische Gründe vorhanden sein sollen. (siehe Drucksache 16/4347 des Landtags BW Petition 16/2100) Doch laut der Nullschwellen-Stellungnahme vom Arbeitsausschuss der DIN 18040 stellen alle bis zu 2 cm hohen Türschwellen eine Ausnahme im zu begründenden Einzelfall dar, also eine absolute Ausnahme. Eine derartige Ausnahme wie im Neubau des Pflegeheims in Erligheim und im Neubau der betreuten Seniorenwohnanlage Freiburg-Weingarten gilt es also dringend ganz konkret zu prüfen. Welche technischen Gründe sollen hier den Bau dieser Schwelle als Sturzgefahr für ältere Menschen rechtfertigen?
Laut den Artikel von Bettina Gröber aus der Badischen Zeitung vom 06.09.17 sagt der zuständige Architekt des AWO-Neubaus in Freiburg-Weingarten, Heinz Geyer vom Architekturbüro Franz & Geyer, dass bei der Gestaltung dieses Neubaus alle Kriterien für „seniorengerechtes“ Bauen integriert worden seien. Dazu gehöre auch Barrierefreiheit. Der Architekt beschreibt demnach den Neubau der Seniorenwohnanlage mit dem Begriff Barrierefreiheit. Doch diese Beschreibung passt nicht zu den rund 1 – 2 cm hohen Türschwellen, die den Zugang zu den Balkonen verbauen. Derartige Türschwellen sind nicht barrierefrei nach DIN 18040. Nur 0 cm hohe Türschwellen entsprechen den Anforderungen der DIN 18040 – es fehlen bis heute die technischen Begründungen für diese absoluten Ausnahmefälle nach der DIN 18040!
„Seniorengerecht?!“
Die Beschreibung „seniorengerecht“, gilt selbst laut dem Kommentar zur DIN 18040 vom Beuth-Verlag als diskriminierend. Der diskriminierende und überholte Begriff „seniorengerecht“ vermittelt jedoch den Anschein, dass die Gestaltung auf die Bedürfnisse von älteren Menschen abgestimmt sei. Doch 1 – 2 cm hohe Sturzgefahren passen nicht zu einer Hochrisikozielgruppe für Sturzgefahr. Dazu habe ich einen spannenden Lesetipp: Den Fachartikel aus dem Deutschen Ärzteblatt „Sturzprävention bei Senioren – eine interdisziplinäre Aufgabe“, der bereits im Jahr 2005 erschienen ist.
Laut der Badischen Zeitung wurde die AWO-Seniorenwohnanlage mit rund 4,4 Mio. zinslosem Darlehen aus den Landeswohnraumförderungsprogramm bezuschusst. Weshalb werden derartige architektonische Gefahrenquellen und Ausgrenzungen mit öffentlichen Geldern gefördert?
Wie die Nullschwellen-Petition weitergeht, erfahren Sie in meinem Blog „Schwellenfreiheit in Baden-Württemberg“
Herzliche Grüße
P.S. Leider werden viele 1 -2 cm hohe Terrassen- und Balkontürschwellen so mangelhaft ausgeführt, dass ein Rückbau nur extrem schwer und kostenintensiv möglich ist. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn der Terrassen- und Balkonbelag 2 cm hoher verlegt wird als der Fußboden innen. Um hier eine Niveaugleichheit zu erreichen. muss der ganze Freisitzbelag entfernt werden. Ein Mangel innerhalb des barrierefreien Planens und Bauens, der nur extrem teuer beseitigt werden kann. Durch derartige Planungsfehler verlieren Immobilien im Zeitalter von demografischem Wandel beachtlich an Wert.
Die Türschwellen in neuen Pflegeheim in Erligheim und in der neune Seniorenwohnanlage in Freiburg-Weingarten haben insgesamt 3 Experten in eigener Sache und ich bei einem gemeinsamen Besuch vor Ort festgestellt, mehr Infos dazu gibt es in diesem Artikel.
Hier gibt es mehr Infos zur Nullschwellen-Petition:
Hier geht es zum Blogbeitrag Nullschwellen-Petition Part 3
Hier geht es zum Blogbeitrag Nullschwellen-Petition Part 2
Hier geht es zum Blogbeitrag Vorgeschichte und Nullschwellen-Petition Part 1